Franzobel
Der Trottelkongress
ISBN: 978-3-85415-225-5112 Seiten, mit zahlr. Abb., brosch., erschienen 1998
Commedia dell´Pape. Ein minimalistischer Heimatroman
Franzobel schenkt mit seinem Text seinen LeserInnen eine österreichische Pulp Fiction! Inspirieren ließ er sich zu dem Plot von einem Plakat, worauf sämtliche 264 Päpste unseres Abendlandes thronen. Die Namen aller Kirchenväter, in der entsprechenden Reihenfolge von Petrus bis einschließlich Johannes Paul II., fügen sich in Kombination mit Familiennamen aus dem Wiener Telephonbuch zum umfangreichen Personeninventar dieser wahnwitzigen Geschichte. Ein Held stolpert über die Geschichte eines anderen, dieser wiederum fällt einem nächsten Mitmenschen in die Arme. Und immer wieder geht es dabei um Nächstenliebe, um Dogmen und um die ganz verschiedenen Wahrheiten, in denen ein jeder steckt und lebt. Fortschreitende Geschichten ohne Fortschritt in der Geschichte. Vergegenwärtigung des elenden Zustands des Menschen unter Menschen. Die nervös hektischen Handlungsvorgänge simulieren den Geschwindigkeitsrausch einer televisionären Medienwelt. Der Text kommt ohne ein eigentliches Subjekt aus, hinter den Getriebenen der Geschichte lauert vielleicht ein Subjekt, das aber erst zu sich kommen muß oder auf die Welt.
“Achselschwitz, der frühere Bombenleger, Kommunarde und Gründer der österreichischen Terrorfraktion ÖTF, war gerade dabei, bei einem Prominenten-Fußballspiel eben jenen Mann zu überspielen, den er vor 30 Jahren noch entführen wollte. Man hat ja doch Moral, stemmt sich dagegen, hält nicht bei Wirtschaftsfaschisten an. Der ehemalige Vorstand und Abgeordnete Vitellianus Pfeistlinger blieb damals nur verschont, weil er wegen einer Waffenschieberaffäre aus dem siebten Himmel aller seiner sechs Ämter stürzte. Tropf. Seither lebte der Multimilli ohne Ehr unspektakulär in seiner Luxusvilla Gunzesried. Alles haben, alle Dinge, ist das Glück? Nein, banal. Auch der den Skandal enthüllende Aufdeckjournalist war im Ensemble Pfeistlingers. Der gefürchtete und tief gefurchte Adeodatus Beitl fand sich aber bald in den Redaktionsdienst zurückgestellt, wohin ihn vor allem ein Ausritt über die minderbegabte Gattin des Altbürgermeisters Dono Kaserer abwarf. Dem unter krankhaftem Durst leidenden Politiker war unerträglich, daß jemand gegen die dürren, mit Eitelkeit geblähten Auftritte seiner geltungssüchtigen Frau polemisierte, die dafür im Volksmund war, ihr Geschlecht über jede Intendanz zu stülpen, daher Stulpenstaupe hieß. Die sehen ja nicht ihr Talent und wie sie singen kann mit diesen langen Haxen. Die Worte fehlen mir.” (Leseprobe)
“Einen Trottelkongreß erkennt man daran, daß an ihm lauter Kongreßtrottel teilnehmen. Franzobel ist mit seinen Analysen zur tieferen und tiefsten Heimatkunde eine der wenigen Vermessungsbojen, auf die auch wirklich Verlaß ist. (…) Ein wunderschönes Buch über einen wahnsinnigen Kongreß, an dem jeder Leser auch inkognito als VIP teilnehmen kann”.
(Helmuth Schönauer, in: “Biblos, Beiträge zu Buch, Bibliothek, Schrift 50/1, 2001)