Alois Hallner
Ja, Lachesis, nahezu klassische österreichische Pornographien
ISBN: 978-3-85415-308-5168 Seiten, brosch., neuwertig, erschienen 2001
Die Frage, ob die Liebe denn Sünde sein könne, scheint so sehr dem vergangenen Jahrhundert anzugehören wie das Genre der Pornographie selbst. Trotzdem können die Trennlinien zwischen Groschen- und Hochliteratur immer wieder ausgereizt und hinterfragt werden. Der gute Erotomane ist ein Übertreibungskünstler im besten Sinn, er sexualisiert den Alltag zur Gänze, reduziert das Gesellschaftliche mehr oder weniger auf Trieb und Fede.
Das Thema des seit vielen Jahrzehnten in Berlin ansässigen Österreichers Alois Hallner ist die verbotene Liebe im Rahmen des Familiären, ausgehend von der Frage, ob der einverständliche Akt – frei von physischer und/oder psychischer Pression – unkeusch (inceste) oder gar (blut)schandbar sei. Pornographie, der eine Literarizität nicht abzusprechen wäre, parodiert das Gesellschaftliche; – in Hallners Fall ist die Fiktionalität offensichtlich: das Fehlen jeglicher Gewaltdarstellung und Entwürdigung des Menschlichen, die konsequente Ausklammerung der traurigen Realität.
Der Ex-Mediziner erzählt aus seiner Distanz zu Österreich, aber zweifellos altösterreichisch-gemütlich, packt das Schatzkästlein des Hausfreundes aus, um – freilich in einem völlig überzeichneten Sinn – eine Art gemütliche Familienpornographie zu installieren: ein All-incl.-Paket mit den bekannten Variationsmöglichkeiten, wobei es dem Autor weniger um das monotone Abspulen der üblichen Nummernrevue, das routinemäßige Aufgeilen durch scharfe Szenen geht (die Frage, wen man heute noch kitzeln muß, stellt sich ohnehin nicht), als um die – fast altmodische (Mutzenbacher!) Schilderung sexueller Gefühle.
Leser und Leserin, die durchs Schlüsselloch die geschilderte Häuslichkeit der lieben Familie zwischen den eigenen vier Wänden observieren, wissen, daß sie es mit einer verkehrten Welt zu tun haben. Die Stimmung ist heiter, der böse Blick fehlt ebenso wie die coole Geschäftigkeit, dafür spricht, besonders in den Dialektgeschichten, erbarmungslos der Volksmund.