Waltraud Seidlhofer
GEHEN. Ein System
ISBN: 978-3-85415-368-996 Seiten, brosch., erschienen 2005
… dem klang nach gehend, das horchen nach den vokalen, so dass sich die assoziationen frei bewegen koennen und, abseits von eingegrabenen mustern, neue synapsen entstehen, ein sehr schoenes muster, genau und regelmaessig, und befreit von der vorgabe des gehens.
Sich mit Waltraud Seidlhofer in ihr neues Buch hinein aufmachen heißt, sich auf poetologische Verlockungen und Umwege einlassen, die dem Leser assoziativ wie sytematisch erschlossen werden. Ein Angebot, Spuren zu folgen, Tracks zu legen, um eigene Vorstellungen, Perspektivenwechsel und Automationen des Selbstverständlichen zu hinterfragen.
Gehsteige als Bildschirmoberfläche sozusagen, wobei die Lektüre über das Spiel hinausgeht, der Einladung der Autorin folgend Traumpfade von Welt- wie Textbegehung kreuzt, sich selber – by the way – eine poetische wie philosophische Animation erschafft.
und es kann sein, dass im gedächtnis nur mehr dieses gehen existiert, das klopfen der schuhe auf dem asphalt, das stoßen an gehsteigkanten, und dass die riesigen bauten, paläste zurücktreten, ihre ecken, details, auch das schimmern der straßenbahnschienen, und nur wörter bleiben, restbilder, ein satz …
Wenn es alles schon gegeben hat, die Menschen aber gleichsam eine Kunst des Vergessens betreiben, jedermann also nicht nur nichts weiß, stellt Waltraud Seidlhofer dieser Tatsache eine Kunst des Erinnerns in der ihr eigenen Sprache gegenüber, eben Literatur, indem sie mit dem ganzen Universum in Gedanken spielt. Ist Erinnerung dabei das, was die Engländer splendid isolation, eine herrliche Trennung von der Wirklichkeit nennen?
Helmut Eisendle