Christoph Szalay
RÆNDERN
ISBN: 978-3-85415-607-9120 Seiten, brosch., erschienen 2020
Berg, Wald, Wiese, Tal und See: Christoph Szalay unternimmt in RÆNDERN den Versuch einer zeitgemäßen dichterischen Auseinandersetzung mit überlieferten Bildern scheinbar unberührter Natur, die landläufig von sentimentalem Kitsch okkupiert sind. Die zyklisch angeordneten Gedichte und kurzen Prosa-Arbeiten setzen dem Bewusstseinsschwindel europäischer Idylle-Konstruktion eine polyphone Spurensuche in ein Gelände entgegen, durch dessen Risse historische Katastrophen spürbar werden. Ausgehend von einer Anverwandlung traditioneller Formensprache bis hin zu deren „kontaminierenden“ Überschreibung mit postkolonialen, inkludierenden und queer-feministischen Sprachgesten entrückt RÆNDERN den „unbehaglichen“ Erfahrungs- und Empfindungskomplex von Heimat aus der Verwendungshoheit national und patriotisch ausgerichteter Parteien und Bewegungen.
Als Gegenposition zum zitathaft vorgeführten Diskurs sogenannter Identitärer entwickelt Szalay für RÆNDERN eine virtuose Poetik des Entwurfs. In der feingliedrigen Zusammenführung von kulturwissenschaftlichem und touristischem Material mit sprachreflexiven Lyrismen und englischsprachigen Hiphop-Zitaten vollzieht sich eine spannungsreiche Inszenierung von Vorläufigkeit, Pluralismus und Offenheit, unter deren Vorzeichen die Frage „Was ist Heimat?“ jenseits obsoleter Begrifflichkeit neu gestellt werden kann.
Mit “RÆNDERN” ist dem mehrfach preisgekrönten Christoph Szalay, Jahrgang 1987, ein mehrdimensionaler und ungemein rhythmischer Text meisterlich gelungen. Der Band stellt einen wichtigen Beitrag zu Debatten rund um Heimat, Leitkultur, Patriotismus und Nationalismus dar. Zudem ist er unbedingt als ein Diskurs-Beitrag über Trans- und Interdisziplinarität zu verstehen. Ränder sind somit Orte, wo man zusammenkommt und wo Neues, Spannendes entsteht – und nicht, wo Abgrenzung und Abschottung herrschen. Szalay sprengt auf vielen Ebenen jegliche Grenzen. – “RÆNDERN” ist eine zutiefst erhellende, erkenntnisreiche Lektüre!
(Angelo Algieri, Buchmagazin Literaturhaus Wien)