Peter Patzak
DER GEIST DER FARBE
ISBN: 978-3-85415-369-6304 Seiten, Hartband mit SU, erschienen 2005
An der Innenseite der linken Tür Fotos von dicken Männern, mit Reißnägeln befestigt: Orson Welles, Marlon Brando, Helmut Qualtinger – kurzer Prozeß. Winston Churchill, Alfred Hitchcock, Max Frisch, Octavio Paz – Labyrinth. Auf der rechten Seite ein Bild von einer blonden Frau um die zwanzig und von einem Buben mit schwarzen Locken. Die Dicken waren da, weil er einmal vorgehabt hatte, sich zu Tode zu essen. Die Frau und das Kind, weil er vorgehabt hatte, sich zu Tode zu sehnen. Die Zuckerrohrschnaps-Flasche auf einem Brett in Augenhöhe, weil er vorgehabt hatte, sich zu Tode zu saufen.
Phillippe, ein etwas in die Jahre gekommener, berühmter und schwer kranker Photograph, ist das Kraftfeld, der Epigonist von Peter Patzaks Roman. Seine Passion des Bildermachens – in den Zwischenwelten verschiedenster Landstriche und Wüsten, wie auch Kunstnester (New York, Venedig, Marrakesch…) und Metropolen angesiedelt – nimmt der Autor zum Anlass, die Mystifikationen der modernen Künstlerfigur (Sisyphos, Herakles, Merkur…) ebenso ernsthaft wie spielerisch zu variieren. Philippe, ein selbstironischer wie melancholischer Heiliger Sebastian, kommt zu den Bildern über Umwege – Krankheit, Verbrechen, Einsamkeit.
Die Ausgrabung war um nichts älter geworden, nur noch banaler. Damals wie heute: die Ausgrabung. Außer dem Lachen war noch nichts auf dem Band. Die Ausgrabung schaute ihn an wie einen Geist. Hatte sie sich geirrt? War das gar nicht Phillippe? „Wenn Sie gar nicht Phillippe … sind, dann sagen Sie mir, wer Sie sonst sind und was Sie machen.“ In Phillippes Hals begann es zu knirschen, Kopf links, Kopf rechts. Die Eselgeste, au, es knirscht, Sand im Getriebe, dachte er, alles in Phillippe machte rieselnde Geräusche. Selbst seine Schultergelenke mahlten, als er der Ausgrabung die Hand hinhielt und sagte: „Schön, Sie kennen gelernt zu haben. Mein Name ist Bobby McGee, und ich bin Schönheitschirurg aus Rio de Janeiro und bin hier, um mit meinem Skalpell die herrlichen Bilder zu entweihen.“