Hanno Millesi

Disappearing. Rückzugsvarianten

ISBN: 978-3-85415-246-0

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160 Seiten, brosch., neuwertig, erschienen 1999


„Eines Tages machten wir es dann in der von ihr bevorzugten Position. Ich weiß gar nicht, ob diese Position tatsächlich von ihr bevorzugt wurde, zumindest nicht, warum. Manchmal denke ich, sie sprach davon, diese Stellung zu favorisieren, um mir damit eine Freude zu machen. Manchmal kam es mir so vor. Ich kann das allerdings aus heutiger Sicht nicht mehr nachvollziehen. Ich weiß nicht, warum.

Außerdem scheint mir diese Überlegung gar nicht so abwegig, wie sie vielleicht im ersten Moment anmuten mag. Schließlich ist ja, wenn man es macht, und wenn man es gut machen will, die Auffassung des Partners von ganz entscheidender Bedeutung. Was nützt die bequemste Gelenkigkeit oder aufsehenerregendste Verrenkung, wenn die Sache selbst nicht vorangetrieben wird?“
(Lamourouge, Beginn)

Die Geschichten von Hanno Millesi packen den Leser vom ersten Satz an beim Schopf, greifen zu wie ein Thriller oder eine Schauergeschichte, handeln aber nicht von Mord und Totschlag, sondern von Bewegungen der Seele im Stillstand: von Lähmungserscheinungen beim Betrachten der Fluchtmomente seiner eigenen Körperlichkeit (Kadaverkuvert) oder – starr vor Schrecken – beim Anblick des ausgestellten Furchtbaren, Schmerzbringenden (Sonderausstellung) oder des furchtbar Schönen und Anziehenden: Liebe, Schönheit, Kunst etc. (Amore, Lamourouge). Disappearer beginnt mit dem kindlichen Einfall der Täuschung seiner Spielkameraden: „Eines Tages, während wir auf einer breiten Wiese im Spiel hintereinander her waren, beschloß ich, mich fallenzulassen, liegenzubleiben und mich hinkünftig totzustellen …“ Kadaverkuvert beginnt mit der Feststellung einer endgültigen Transformation des eigenen Körpers hin zur Nicht-Körperlichkeit: „Die Veränderung war nun schon soweit fortgeschritten, daß an Bewegung kaum noch zu denken war …“ Mabel thematisiert das Einschlagen des anderen Geschlechts wie ein Blitz aus heiterem Himmel; Sonderausstellung handelt von Mann und Frau beim kunstsinnigen Betrachten einer Ausstellung von Folterwerkzeug.

„Wie sehr wünschte ich mir, mit dem Bein in die Wand tauchen zu können und dann bereits zwei ganze Gliedmaßen auf die Reise geschickt zu haben. Aber das Mauerwerk blieb mir gegenüber verschlossen. Ich preßte und drückte das Bein mit aller Kraft – die mir übrigens ungeahnte Bewegungen einräumte – gegen die Mauer, erntete allerdings nichts außer Prellung und Abschürfungen. Ich veräußerte mich bis an die letzten Reserven und nach einer weiteren Pause darüberhinaus. Schließlich muß ich wohl vor Erschöpfung eingeschlafen sein, denn als meine Erinnerung wieder einsetzte, schien der Morgen hell erleuchtet. Ich hing mit der Schulter aus der Wand, als hätte ich in ein verbotenes Gebiet gegriffen, als müßte ich eine mythologisch überlieferte Schuld bezahlen, für ein Vergehen, das jedem menschlich angemutet.“
(Kadaverkuvert)


Hanno Millesi

* 1966 in Wien,
österreichischer Künstler und Schriftsteller

Studium der Kunstgeschichte an den Universiäten Wien und Graz, Promotion,
1992-1999 Assistent bei Hermann Nitsch,
1999-2001 freier Mitarbeiter im Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig in Wien.
Zahlreiche Auszeichnungen u.a. 2017 Reinhard-Priessnitz-Preis

Bisher erschienene Titel im Ritter Verlag:

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