Felix Philipp Ingold
Endnoten. Versprengte Lebens- und Lesespäne
ISBN: 978-3-85415-597-3568 Seiten, Hartband, erschienen 2019
Mit seinen „Endnoten“ präsentiert Felix Philipp Ingold eine einzigartige, verkappte Auto- und Autorbiographie am Leitfaden unterschiedlichster Lebens-, Lektüre- und Traumerfahrungen. Knappe Essais, präzise Wahrnehmungs- und Erinnerungsnotate, auch aphoristische und poetische Einsprengsel fügen sich zu einem weitläufigen Textgelände, in dem sich Privates und Epochales, Leben und Werk zu einem großen Ganzen verschränken. Die Texte sind kontrapunk- tisch angereichert durch Fotobilder des Autors. Staunenerregend ist die Fülle der Lektüren kanonisierter oder (wieder) zu entdeckender AutorInnen und Texte, von Kleist, Tolstoi, Mallarmé, Zwetajewa bis Konrad Bayer und Botho Strauß, woraus als „ingoldene“ Fixsterne u.a. Lukrez, die Kyniker oder Montaigne hervorleuchten. Erfrischend innovativ, parteinehmend und philologisch geschliffen begeistern Ingolds Würdigungen, Resümees und (seltenen) Verrisse auch als Protreptikon, das Besprochene selbst zu rezipieren und dazu Stellung zu nehmen. Entschieden tritt der Autor für „starke“ Sätze, Formreflektiertheit und unverwechselbaren Personalstil ein als Gegenposition zur konfektionierten Bedeutungsmaschinerie heutiger Trendbelletristik; und unter diesem Licht verlieren auch manche Säulenheilige (Joyce, Proust) einiges von ihrem autoritativen Glanz. „Was kann ich mit einem Stück Literatur anfangen?“ Die Frage benennt gleich- zeitig Ingolds Interesse daran, aus der Rezeption von Sprachkunst eine eigene Form der Erkenntnis zu gewinnen, die ins Vage und Offene weist und die gerade deshalb aufklärerisches Potential besitzt. Alternierend wird der Strom der Leseerfahrungen nun auch von Traum- und Kindheitserinnerungen umspielt, deren einzelne Themen und Motive Sehnsüchte vor- bzw. außersprachlichen Seins antippen, die ihrerseits Ingolds Naturbetrachtungen auf seinen Wanderungen in der Romandie grundieren. Dabei verliert das lesende und schreibende Subjekt seine „provinziellen Nachbarschaften“ nicht aus dem Auge, an deren „grauer freudloser Normalität“ manch beherzter Lebensentwurf zerschellt. Nicht nur da- gegen halten Felix Philipp Ingolds „Endnoten“ ein Pharmazeutikum bereit – als emphatisches Plädoyer für die Kunst des Lesens als Teil aller Lebenskunst am Ende traditioneller Schriftkultur!
Es ist ein schier unerschöpfliches Füllhorn an literarischen Preziosen, das Felix Philipp Ingold in seinen „Endnoten“ ausschüttet. Der Abschluss einer Werkreihe, die der Schweizer Autor, Übersetzer und Slawist vor fast vier Jahrzehnten begann und deren Gesamtumfang mittlerweile einige tausend Seiten beträgt. Tages- und Nachtnotizen zu Literatur und Kunst, Lesefrüchte und tagebuchartige Eintragungen über morgendliche Spaziergänge durch das Schweizer Dorf an der französischen Grenze, in dem Ingold seit seiner Emeritierung als Sankt Gallener Professor den Großteil seiner Zeit verbringt. „Endnotizen“ – das bedeutet für den Siebenundsiebzigjährigen: Es ist Zeit, zur großen Revision zu kommen […] (Erich Klein, Ö1, Ex libris, 19.1.2020)