Gerhard Ochs

Ernte 23

ISBN: 978-3-85415-358-0

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136 Seiten, brosch., neuwertig, erschienen 2004


„Es war im heissen langen Sommer 1959, als Peter Rühmkorf seine einmaligen Verse über das Land streute, ein Land, das noch den Kot der assyrischen Grosskönige abtastete nach Kohlenstoff 14 und den Herrn der Heerscharen pries in der Unsicherheitsrelation, ja, Sie können so laut schreien wie Sie wollen, Werner sah einmal ein kleines Mädchen am Strassenrand sitzen, das einen Regenwurm in der Hand hielt und weinte. Warum weinst du? fragte er das Kind. Ich weine nicht, ich singe! gab es ihm zur Antwort. Ach so, und warum singst du? wollte Werner wissen. Damit der Wurm nicht mehr weint. Ach so! staunte Werner. Ja, sagte das kleine Mädchen und Auf Wiedersehen! Dann sprang es auf und lief davon. Werner sah mich fragend an, immer wenn er nüchtern ist, hat er keine Arbeitsmoral.“

Eine Geschichte à la Jugend in Deutschland in den wilden Sechziger Jahren, – hatten wir als Leser schon. – Was aber Gerhard Ochs in seinem fragmentarisch komponierten Buch „Ernte 23“ demonstriert, ist im Schutz der Gezeiten so etwas wie eine permanente Verschärfung der Wahrnehmung – aus dem Schutt der Vergangenheit in die Zukunft .

„Als Kind fiel ich manchmal aus Erregung in Ohnmacht, also war die Welt weniger erregt als ich, denn sie fiel niemals in Ohnmacht. Das Herz geht mir über bei dem Gedanken, dass sie meinetwegen Tränen vergiesst. Was will die Jugend? Ficken und Geld. Was will das Alter? Geld und Ficken. Er lief so lange durch die schmerzlich verdunkelten Strassen, bis sie gänzlich verschwunden waren. Wo er jetzt schwankte, gab es noch nicht einmal die Geste einer Stütze. Deshalb bist du schwach, mein Sohn, weil du deine Haare kurz geschnitten hast. Als ich Kind war, konnte ich mit geschlossenen Augen die Saisonen in der Strassenbahn erkennen. Ich blies mir die Haare aus der Stirn.“

Ein poetisches wie vergnügliches Buch: über Deutschland im Frühling und über den deutschen Herbst, über deutsche Idole („Damals war der Einfluss Katharina Witts auf uns Männer groß“) und Katastrophen:

„In Baden-Württemberg, wo die Verzweifelten sind, erschlug ein Mann sein Weib, sich selbst und seine Kinder. Es ist der Blick vom Schauinsland, der so verrückt macht.“


Gerhard Ochs

* 1944 in Karlsruhe (D),
deutscher Schriftsteller, lebt in Bremen

Studium der Philosophie, Kunstgeschichte und Politikwissenschaften an der Ruhruniversität in Bochum.

Bisher erschienene Titel im Ritter Verlag:

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