Ilse Kilic
Fadenspannung. Eine Verbündung
ISBN: 978-3-85415-623-9168 Seiten, brosch., erschienen 2021,
mit zahlr. Zeichnungen von Ilse Kilic
Ilse Kilic versammelt in ihrer Textrevue Fadenspannung Erinnerungen an Lektüren und Begegnungen mit Kolleginnen und Kollegen, die sie als Schreibende inspiriert haben. Ausführliche Zitate, darunter auch ganze Gedichte, dienen zum einen als Bezugsobjekt für lebensgeschichtliche und poetologische Reflexionen, zum anderen als Grundlage kreativer Anverwandlungen in Gestalt von Um- oder Gegenschriften. Ein Aspekt, ein Motiv oder auch nur ein Wort geben den Anstoß zu feinsinnigen Betrachtungen unterschiedlichster Phänomene wie etwa Ergriffensein, Schwerkraft, Kurzsichtigkeit oder das grammatische Geschlecht des „Körperchens“. In Summe ergeben die erörterten Begriffe eine Art lebensphilosophisches Individual-Lexikon, so wie sich auch die Blütenlese der vorgestellten Autoren und Autorinnen als singuläre Literaturgeschichte im Kleinen erweist. Unter den Besprochenen finden sich u.a. Sophie Reyer, Adelheid Dahimène, Lisa Spalt, Hans Eichhorn, Nikolaus Scheibner oder Fritz Widhalm – durchwegs Dichterinnen und Dichter von den Rändern des Kanons, die Ilse Kilic – mit Herzblut und auf literarisch mitreißende Weise – zur „Verbündung“ mit entdeckungsfreudigen Leserinnen und Lesern empfiehlt.
Der Titel “Fadenspannung. Eine Verbündung” ist Programm: Ilse Kilic zieht einige Fäden dieses Gewebes aus Leben, Lesen und Schreiben heraus, dröselt sie diskursiv auf und zieht sie wieder an, spannt sie zu einer literarischen Verbündung: Wir sind alle nicht allein, wenn wir schreiben. Schreiben ist etwas Kollektives, Ergebnis diskursiver und lebensweltlicher Eindrücke, manchmal auch der Kollaboration in einem gemeinsamen Text. Ilse Kilic macht explizit, was in literarischen Texten oft implizit bleibt: die Auseinandersetzung mit den eigenen autobiographischen Erfahrungen und mit den Texten anderer. Sie verbündet sich mit anderen Schriftstellern und Schriftstellerinnen, spinnt ihre Texte weiter, dreht und wendet sie, kehrt das Innerste nach außen, jongliert mit Möglichkeiten und mit der Sprache – und mit Möglichkeiten in der Sprache.
(Sabine Dengscherz, Literaturhaus Wien)