Franzobel / Franz Novotny
FILZ … oder ein Wirtschafts-Flip-Fop-Schmierfilm mit Blutsaugerblues …
ISBN: 978-3-85415-449-5168 Seiten, brosch., erschienen 2009
Franzobels und Franz Novotnys gut gefördertes Drehbuch Filz, dessen filmische Realisation allein am ORF gescheitert ist, ist eine scharfsinnige, provokante und unerhört witzige Farce, die eine verkommene Hochfinanz und die mit ihr verfilzte Politik aufs Korn nimmt. Ökonomische und gesellschaftliche Desaster aus jüngerer Zeit werden als das kenntlich gemacht, was sie sind: die Konsequenz von Tricksereien auserwählter Repräsentanten einer leicht debilen bis schwer kriminellen Seitenblickegesellschaft. In all seiner Bizarrheit gemahnt das Geschehen dieser trash-artigen Tragikomödie an reale Vorkommnisse wie das Gezerre um einen gewerkschaftlichen Streikfonds und das Hin- und Hergeschiebe von Milliardenbeträgen zum Zwecke dubioser Karibikgeschäfte. Die Handlung um einen vormaligen Tankwart aus der Wachau, der in die Rolle seines verstorbenen Doppelgängers, eines Bankdirektors namens „Elsner“ tritt, immerhin ist frei erfunden: versucht dieser doch das Kapital der arbeitenden Klasse in einer „Bank der Herzen“ nach hohen ethischen Begriffen zu verwalten…
Wer bei den auftretenden Figuren „Julius Meinl V.“, „Grasser“, „Elsner“, „Verzetnitsch“, „Horngacher“ oder der Pudeldame „Flöttl“ an namensgleiche reale „Vorbilder“ aus der österreichischen Wirklichkeit denkt, sei auf den mit „Rechtliches Vorspiel“ betitelten Prolog im Himmel verwiesen: Von dort führt die Kamerafahrt geradewegs in das Innere eines „Bemmerls“ (österreichisch für „Köttel“), das eben ein mit k. und k. Orden drapierter Hase hat fallen lassen, nachdem er furzend seine Version der Bundeshymne zum besten gegeben hat…
Mit Turbulenz und Skurrilität kann in „Filz“ also gerechnet werden und weil die Figuren beim ersten Mal nie etwas hinkriegen, gewährt Gott Kreisky sogar weitere Chancen. Die Figurensprache ist markant, alle haben ihre individuellen Macken, die einen kalauern, die anderen schwurbeln, hicksen, derben vor sich hin (Franzobel kann sich wieder einmal uneingeschränkt austoben) und die Regieanweisungen sorgen dafür, dass alles noch einen Tick durchgeknallter wird. Herrlich überzeichnet und in Summe wohl niemandes Geschmack, aber das ist ja als programmatisch anzusehen, und insofern voll und ganz gelungen.
(Markus Köhle, in: „DUM – Das Ultimative Magazin“ 55/2010, Oktober 2010)