Belmen O
FINIS BREST
ISBN: 978-3-85415-336-8210 Seiten, Hartband, erschienen 2003
Es war Leben in der Stadt, das gefiel mir. Von dem Trübsinn, der in Paris alles zu lähmen schien, war hier nichts zu spüren. Ich fühlte mich befreit. (…) Der Krieg, der hier so nahe war, verlangte eine Entscheidung auf Leben und Tod, denn die Position der Festung Brest war unumstößlich. Die Stadt und ihre Bewohner, Franzosen wie Deutsche, konnten nur überleben, wenn sie den Angriffen der Briten und Amerikaner standhielten. Das band alle zusammen. Ich betrachtete die Deutschen nicht als Feinde, weil das gemeinsame Leben an diesem äußersten Rande Frankreichs keine Gegnerschaft erlaubte.
Der Tagebuchschreiber, ein neunzehnjähriger Bretone, lernt 1940 in deutscher Kriegsgefangenschaft den Schriftsteller Robert Brasillach kennen, über den er in Paris zwischen die Fronten der rechtsgerichteten Intellektuellen (Vailland, Drieu de la Rochelle, Jouhandeau …) und Kollaborateure gerät. Die Aufzeichnungen dokumentieren eine Innenansicht der extremen Rechten im besetzten Frankreich zwischen Paris und Brest, der Autor konvertiert literarisch von Hemingway zu Celine, protokolliert Ideologien, Männerfreundschaften, Geschichten von Verrat und Mord. Belmen O hat die Tagebücher aus den Jahren 1940-1948, die das Ausgangsmaterial zu einem verschwundenen Romanmanuskript lieferten, aus dem Französischen übersetzt und mit Fußnoten sowie einem Kommentar versehen: Aus den Tagebüchern entsteht denn auch ein ganz anderes Brest als bei Genet, in ihnen lichtet sich der Nebel der Mythisierung, der bei Genet über der Stadt liegt. Der Kollaborateur des Herzens, als der Genet in seinen Romanen erscheint, und seine Faszination für Mord und Verrat werden in den vorliegenden Tagebüchern in ein realistisches Licht gerückt. Darum nenne ich diesen fremden Text einen Gegenroman.
(Belmen O)
Liebst du Uniformen, Vincent? Deutsche Uniformen, graugrüne, feldgraue, schwarze, blaue, mit Tressen oder mit Totenkopf? Würdest du eine anziehen wollen? Du musst deswegen nicht zur Luftwaffe gehen oder zur Marine, zur Armee sowieso nicht. Du trägst sie nur hier in Paris, da wird sie nicht schmutzig und auch nicht blutig. Nein? Nichts für dich? Aber es gibt Franzosen, die sind ganz scharf darauf, die laufen auf den Boulevards in deutscher Uniform herum, mit einem kleinen Spiegelchen in der Brusttasche, um bei jeder Gelegenheit hineinzuschauen, sonst können sie nicht glauben, dass sie Männer sind. Gut sitzen muss die Uniform, damit bringen sie ihren Schneider zur Verzweiflung. Und wenn sie dann richtig gut sitzt, stehen sie stundenlang vor sich selber stramm. Der Arsch, der in der Uniformhose endlich seine Männlichkeit entdeckt, zuckt nicht mit der Wimper, wenn die Zeiten etwas rauer werden, solange es ihn nicht selber trifft.