Peter Pessl
FORMIERT AUS LUFT, Aufzeichnungen aus dem Himalaya, Teil 3
ISBN: 978-3-85415-455-6304 Seiten, zahlr. S/W-Abb. (Autorenzeichnungen), brosch., erschienen 2010
Die 2002 in Tibet begonnene „Sprachwallfahrt“ Peter Pessls durch den Kultur- und Geistesraum Himalaya führt zu ihrem von Anfang an immanenten Höhepunkt zurück: von der Megacity New Dehli als Ausgangspunkt das Sutlejtal aufwärts ins frühere indische Königreich Kinnaur, in dem die Kimnaras und Gandharvas lokalisiert werden, mythische Dichter und himmlische Musikanten, zum heiligen Kinnaur Kailash, und weiter, die Hauptkette des Himalaya überquerend in die westtibetische Bergwüste, in den Transhimalaya, dorthin schließlich, wo seit Jahrtausenden einer der Mittelpunkte der Welt angenommen wird: im beispiellosen Naturtheater des tibetischen Weltbergs Kailash und der benachbarten Zwillingsseen Manasarovar und Rakshastal.
Pessls sprachliche Anverwandlung der durchreisten Landschaften und spirituellen Zonen versteht sich als versuchte Rückkehr zum Mittelpunkt und Ursprung des Erzählens. Das vage Personal, das die „freie Reisesprache“ hervorbringt (und den Erzähler begleitet), besteht diesmal aus einer Dagmema genannten Daikini – einer „Luftgängerin“, wie sie im sowohl buddhistisch als auch hinduistisch geprägten Himalayaraum eine wesentliche Rolle spielt: als Lehrerin, Gefährtin, Quelle der Inspiration – sowie aus dem revolutionären Dichter und Filmemacher P.P. Pasolini.
Die Erzählbewegung in Formiert aus Luft tendiert zum Überschreiten der Barrieren zwischen bewusster Wahrnehmung, Traum und Geschichten, wobei der Autor unterschiedlichste Groß- und Kleinformen der Erzählung und Reflexion erfindet und variiert: die Wiesenerzählung, das Blumengedicht, Lockbriefe, Traumessays, Lippenfragmente, Tücken, Inventionen. Peter Pessl verdichtet diese zu einem gleichsam überirdischen Sprachkosmos von ebensolcher Getragenheit und Eleganz.
Egal! Ich will über schnatternde Trotzbarrieren im Sand, über funkelndes Wunschblau ins Land der rotgesichtigen Barbaren gehen und bleiben in einem wortprivaten Tibet (mit glücklicher Hand)! Dort mangelt es (mir) nicht an unbekannten Räumen, Basisliedern, Traumtorpedos, Yaknomaden, an rollenden Pulverweideland! Auch die geschweiften Wörter fliegen frei für den, der sie erzielt, als Land an sich im Wiesentraum! Die eine rauschende Meeresnacht im Schnee, die (noch) warten wir, dann wolen wir über Knollen, Keramik, Talschnüre weitergehen bis ans Epochenende (und fortan Restlicht Geistchen sehen!)