Franz Reitinger
Kleiner Atlas der österreichischen Gemütlichkeit (1800-1918)
ISBN: 978-3-85415-340-5168 Seiten, zahlr. Farb. u. S/W- Abb., Hartband, erschienen 2003
Franz Reitinger widmet sich den Landkartenallegorien, die von den Geisteswissenschaften bisher als Quellengattung vernachlässigt wurden. Sie öffnen interessante Erkenntnisse über das mentale Gefüge einer Epoche. Geben Blicke frei in das Reich der Liebe, der Unsinnsgesellschaft, der Herrschaft, des Erwerbes…
Seit den Tagen Maria Theresias konnten sich die habsburgischen Stammlande des legendären Rufes eines zweiten Landes der Phäaken erfreuen. Indessen ließen die in den Napoleonischen Kriegen kulminierenden politisch-gesellschaftlichen Umwälzungen der nachjosephinischen Ära die Wende ins 19. Jdht. bewußt als eine historische Zäsur begreifen, die in zahlreichen Feiern, Memorialschriften und visionären Gedichten ihren Niederschlag fand. Parallel dazu wurde eine in Frankreich und England seit langem praktizierte Bildform wiederentdeckt: die Landkartenallegorie. Diese suchte die im Leben gefährdete Balance zwischen den auseinanderstrebenden Welten der Kartographie, der Kunst und der Philosophie im handlichen Kleinformat aufrechtzuerhalten – selbst auf die Gefahr hin einer banalisierten Sicht auf die Dinge oder gar eines drohenden Wirklichkeitsverlustes.
Zu unrecht wurde die Landkartenallegorie von der Bildforschung bisher ignoriert. Die oft nur mehr in Unikaten vorhandenen Karten geben einen interessanten Einblick in das mentale Gefüge der Epoche. Obgleich der Anteil der Landkartenallegorie an der gesamten Bildproduktion der Epoche marginal war, bekommt der Leser über die auch in graphischer Hinsicht reizvollen Arbeiten ein unverhältnismäßig großes Spektrum der Habsburger Monarchie ins Blickfeld. Voraussetzung dafür ist, daß er bereit ist, sich auf ein kombinatorisches Spiel aus Sinnfragmenten und Realitätsverweisen einzulassen.