August Staudenmayer
Lichtschek oder Der alte Apfel
ISBN: 978-3-85415-406-8120 Seiten, brosch., neuwertig, erschienen 2007
Erzählung
Es gibt nur dann ein Versteck vor der Welt, wenn du dich selbst nicht zu ihr zählst.
August Staudenmayers neue Erzählung – das Porträt eines Zerrissenen: Lichtschek hat nicht mehr viel Zeit. Fünfundzwanzig, maximal dreißig Jahre zu leben. Davon ist er vielleicht noch zehn, maximal fünfzehn Jahre attraktiv. Sein Körper weist Schwachstellen auf. Schmerzen begleiten ihn.
Lichtschek, ein Mann in den besten Jahren und Held einer neurotischen Arbeitszeit, hat Probleme mit seiner Sexualität und mit seiner Arbeitsfähigkeit. Das sind, grob gesagt, seine Hauptprobleme. Haben die beiden Dinge in seinem Leben miteinander zu tun? Er will Liebe und Sexualität strikt voneinander trennen, um beides – getrennt – erleben zu können. Offiziell gilt er als berufsunfähig. Um für immer in diesem Status bleiben zu können, überlegt er, sich zum Beweis für seine Unfähigkeit selbst unwiderruflich zu beschädigen.
Eine einzige Verletzung, die gut sichtbar ist, und er hat wieder Ruhe, vielleicht für immer. Er nennt das soziale Intelligenz, wenn er weiß, wie er bei welchen öffentlichen Stellen – Ämtern, Behörden, Anstalten – auftreten muss, wie er sich verhalten muss, was er wo am besten tut, sagt oder unterlässt. Lichtschek weiß genau, wenn er seine Arbeitsunfähigkeit mit einer Selbstverletzung belegen kann, hat er Ruhe. Er hat gründlich darüber nachgedacht.
Die Kranken sollten die Welt regieren, die Sterbenskranken. Ein Mensch, der körperliche Verrenkungen macht, um einen Buchstaben darzustellen, kommt aus dem Alphabet und kehrt dorthin wieder zurück, irgendwann. Er hat kein Heimatland, die Körpersprache ist sein Zuhause, sein Lebenssinn. Seine Körpersprache ist seine Muttersprache. Er müsste sich seine Arme und Beine brechen, seinen Kopf überdrehen und sich sein Gesicht zerquetschen, wenn er gezwungen wäre, eine andere Sprache zu lernen.