Stefan Schweiger
liegen bleiben. prosa
ISBN: 978-3-85415-545-4216 Seiten, brosch., erschienen 2016
„liegen bleiben“ ist die Ausfaltung eines Verlusts, der den Protagonisten sukzessive in einen stuporösen Zustand gleiten lässt. Der Textfluss, der über weite Strecken eine Dialogform zwischen Lebenden und Toten bedient, löscht die Welt des Erzählers nach und nach aus. Der Erzähler als ein von der Möglichkeit zu enden Besessener erinnert nicht nur den Tod des anderen, sondern seinen eigenen in einer treibenden Bewegung von der Zukunft wie auch von der Vergangenheit aus auf die Gegenwart zu. In einer Welt fortwährender Zerstreuung erscheint „liegen bleiben“ schließlich als einzig mögliche Alternative zum Vergessen. Stefan Schweigers Prosa ist ein lakonisch-monumentales memento mori, gerichtet an eine Gesellschaft, die Funktionieren über das Denken stellt. In staunenswerter Prägnanz und mit hintersinnigem Humor dekliniert der Autor Sprechweisen heutiger intentionsloser Hyperaktivität und chronischer Überfordertheit und lässt diese konterkarierend ins Leere laufen. „liegen bleiben“ ist eine minuziöse poetische Arbeit zum Sprach- und Bewusstseinsstand der Zeit wider das Geraune eines anything goes.
„Liegen bleiben“ ist ein Ausdruck, der aufs Erste das Österreichische perfekt zum Ausdruck bringt. Eine Arbeit bleibt liegen, ein Beamter entschließt sich, heute liegen zu bleiben, ein Projekt bleibt liegen, Fahrzeuge bleiben liegen, etwas wird weggeworfen und bleibt liegen. Stefan Schweiger geht mit seiner Liegen-Bleib-Prosa noch ein Stück über das Österreichische hinaus, er behandelt nichts anderes als den Schöpfungsbericht und die Evolution, die in ihrer Entwicklung liegen bleiben und in einem vor-evolutionären Zustand irgendwo bei den schwarzen Löchern des Universums enden. Dabei durchbohren die knallhart reduzierten Formulierungen jedes Gestein, jede Gedankenmasse, jeden Teil des Universums. (…) Stefan Schweiger kümmert sich mit dieser archaisch sauber gehauenen Prosa um die Evolution, die ihre Richtung verloren hat, um das Individuum, das sich bei der Selbstzerstörung behilflich ist, und um ein Universum, das jeglichen Schöpfungsbericht einkassiert und zur Null macht. Und obendrein wird diese Meta-Katastrophe auch noch witzig dargestellt, denn Humor und Liegen–Bleiben sind die einzigen Mittel, den Untergang in voller Wirkung auf sich einströmen zu lassen. – Raffiniert, politisch kühn und erzähltechnisch auf der Höhe eleganter Dekonstruktion!
(Helmuth Schönauer, “Buchkultur”, 06/2016)