Crauss.
MOTORADHELD
ISBN: 978-3-85415-444-0304 Seiten, brosch., erschienen 2009
Egal, ob es sich bei den während der letzten eineinhalb Jahrzehnte entstandenen Texten um Gesprächsnotiz, Kurzgeschichte, fingierte Zeitungsmeldung, Essay, Montage oder durch Permutation generiertes Arrangement handelt: bei aller methodischen Strenge erweist sich Crauss als fabulierfreudiger und umwerfend komischer Erzähler mit einer Vorliebe für Beat, Pop, HipHop und Porno: „die literatur, die ich schreibe, setzt sich auseinander mit rhythmus, sex und grossen städten“. Die Sehnsucht der Pop-Generation/en durch das Drehen von Reglern den „anderen“ Zustand herbeizuführen, führt notwendigerweise in neue Abhängigkeit, bildhaft in die Subordination unter das Diktat des DJ oder in den Kollaps von Körperfunktionen. Dass es mehr um das Drehen der Regeln geht, darum, dem (künstlerischen) Subjekt Spielraum zu eröffnen, führen die Arbeiten von Crauss mittels ihrer Verfahren vor. „zerfällt nicht der inhalt mit aufhebung der form wie ein zu trocken gebackener kuchen?“ fragt der Autor, der um den Umstand weiß, dass sich auch die Form bei Aufhebung des Inhalts wie eine zu fette Süßspeise im Magen verklumpt.
Wiederholen und Wiederaufnehmen des (mitunter zigfach) Formulierten beschreibt das Kardinalverhalten von Pop, Crauss weicht haarscharf und punktgenau davon ab und legt mit seiner Methode des Remix die Trennlinie fest: Er nimmt sich Texte (von Hölderlin, Kleist, Josef Winkler, Hubert Fichte, Rolf Dieter Brinkmann, Thomas Hettche und vielen anderen) vor und mischt diese neu ab. Die in ihrer Gestalt bzw. in ihren Zwischenräumen hergestellten Veränderungen spitzen das Verwendete zu, lassen durch seine Bearbeitung Wirklichkeit sichtbar werden, die sich dem „Original“, ebenso wie herkömmlichen Formen der Travestie entzieht.
„wer etwas bewegen will, lädt sich ein echtes geräusch aufs handy mobile cell phone. wem das nicht gelingt, endet bei schlumpf techno im trockeneis-nebel. aber du machst dir kein bild. die wirklichkeit willst du nicht sehen. du machst dir kein bild über dich. pop und porno, pubertiern und onaniern. hol dir einen runter. denn buchstaben sind kif, die sprache ein muskel, blut ist beat und glossy macht geil. putte die ohrstöpsel ein, vermesse dich selbst, besetze den tanzfloor.“ (aus dem Inhalt)
“Crauss. Punkt. Autor. Provokateur. Poet. Sinnender. Denker. Dichter. Er schreibt, wie andere musizieren. Voller Sinnlichkeit, Tiefgang, Hintergründigem. Unentdecktem, Gradlinigem, Krummem, Skurrilem, Bravourösem. Reiht Worte aneinander, die sich gegenseitig vernetzen, ergänzen, definieren, wandeln. Retro-Entdeckungen. Bedeutungs-Erfindungen. Kurze Sätze. Punkt. Wenig Worte. Punkt. Crauss. Punkt.”
Andrea Schumacher-Vogel, in: “Top-Magazin” (3/2010)
Motorradheld wird mit Sicherheit nicht das komplette bisherige Prosawerk von Crauss beinhalten, wird sicherlich eine Selektion sein, dennoch kommt das Buch erfreulicherweise nicht als schmales Bändchen, sondern als umfangreicher Reader in doppelter Leberkäsedicke daher – wer den Autor bislang ausschließlich als Lyriker kannte, der kann nicht eindeutiger eingeladen werden, in diesem Buch seine Prosa zu entdecken.
Stefan Heuer, in: “Titel-Kulturmagazin” (08/2010)
So vielfältig, wie die Texte in diesem Buch sind, so reich ist ihre Sprache. Zwar hört man immer wieder den melodiösen, melancholischen und leicht ironischen Grundton… Dieser Ton ist romantisches Erbe, Crauss führt es fort und akzeptiert es, weil er Romantik nicht mit Sentimentalität verwechselt. Er gibt starken Gefühlen einen starken Ausdruck, um diesem sogleich mit einer leichten Wendung das Schwere zu nehmen. Im Vorbeigehen tritt kurz Heinrich Heine ins Bild. Romantisch ist auch das Abgründige, Finstere einiger Texte.
Matthias Fallenstein, in: “Falter” 159 (11/2010)