Günter Eichberger
NEIN
ISBN: 978-3-85415-388-7120 Seiten, brosch., erschienen 2006
… Am besten ist es, Gewohnheiten zu haben. Dann erübrigt sich die Frage nach dem Tun. Denn die Gewohnheiten erledigen alles für einen. Schwierig wird es, wenn man seine eigenen Gewohnheiten nicht kennt. Dann müßte man regelrecht an so etwas wie Lebensgestaltung denken. Und das lohnt den Aufwand nicht … (Günter Eichberger)
Ein Schriftsteller recherchiert die Lebensumstände eines Verwandten, der als Widerstandskämpfer in Mauthausen umgekommen ist. Über jenen läßt sich nur wenig in Erfahrung bringen, Widersprüchliches auch, Informanten bestreiten sogar dessen Existenz. Der Schriftsteller versucht, die dürren Fakten mit Fiktionen anzureichern und spielt das Geschehen (Verhaftung, Verhör, Zwangsarbeit, Tod) in mehreren Varianten durch. Der Widerstandskämpfer bleibt trotz aller historischer und imaginativer Spurensuche eine Leerstelle, ein weißer Fleck. Schließlich kapituliert der Autor vor der Aufgabe, eine wahrheitsgetreue Version der mehr als ein halbes Jahrhundert zurückliegenden Vorgänge zu erstellen. Während der Recherche erfährt er, daß ihn eine Todeskrankheit bedroht. Als er mit seinem Leben abgeschlossen hat, stellt sich heraus, daß die Krankheit gutartig ist. Beinahe ist er enttäuscht. Der Schriftsteller fährt mit dem Zug ans Meer. Ob er dort nur baden oder ”Ins Wasser gehen” will, bleibt offen …
Da rauscht es vor sich hin. Das Meer befriedigt sich ständig selber: Gischt, Gischt. Es ist immer ein wenig peinlich, dem Meer dabei zuzusehen. Das Meer aber schert sich keinen Deut darum. Schamgefühl kennt es nicht. Es schäumt, es schämt sich nicht. Egal, ob Pazifik oder Mittelmeer: Ewig onaniert der Ozean. Das ist eine Deutung. Man muß sich ihr nicht anschließen. Man kann auch darauf bestehen, daß das Meer einfach klaglos seine Arbeit macht, so etwas wie Lust gar nicht kennt oder nicht aufkommen läßt. Vielleicht erinnert das Meer an eine Schallplatte, deren Rillen auslaufen. Natürlich könnte man auch behaupten, das Meer sei ein Lied, mit dem Wind im Bunde, der es verbreitet über alle Kontinente, ja, in den Liedern lebt das Meer fort, auch wenn es vielleicht schon längst verdunstet ist.