Florian Neuner
ROST. Eine psychogeographische Expedition
ISBN: 978-3-85415-612-3208 Seiten, brosch., erschienen 2021
Städte stellen in Florian Neuners „ROST“ nicht bloß Schauplätze dar, sie sind in gewisser Weise selbst die Protagonisten. Der Autor liest im Text der Stadt. Seine Lektüre urbaner Räume zielt einerseits auf die Vergegenwärtigung topographischer Zusammenhänge und das Auf- spüren historischer Schichten. Andererseits geht es ihm darum, sich auf die Vielfalt von Texten einzulassen, die im Stadtraum offen zu Tage liegen. Der Autor verfeinert die bereits im Zuge seiner Erschreibung des Ruhrgebiets („Ruhrtext“, 2010) entwickelte singuläre Methode „literarischer Stadtforschung“ und wendet diese auf den Rust Belt, das ehemalige Zentrum der Stahl- und Automobilerzeugung der USA, an. Erfahrungen von Deindustrialisierung, schrumpfenden Städten und Armut verbinden den „Rostgürtel“ mit jenen des westdeutschen Städtekonglomerats. In Detroit und Cleveland aber weht ein schärferer Wind: Der Zusammenbruch des dominanten Wirtschaftssektors im Mittleren Westen, wo der Einsturz der „Blue Wall“ der Demokraten für die Wahl Trumps zum US-Präsidenten (mit)ausschlaggebend war, hinterlässt – ganz ohne sozialstaatlich abgefederten „Strukturwandel“ – einzig Ruinen und verbrannte Erde. Florian Neuner verbindet dokumentarische und essayistische Herangehensweisen mit einem radikal subjektiven und empathischen Blick, der an der „Psychogeographie“ und den Umherschweif-Experimenten (Dérive) der Situationisten geschult ist. Die Recherchemethode des europäischen Fußgängers lässt grundlegende Widersprüche US-amerikanischer Städte umso deutlicher hervortreten. „ROST“ ist ein ebenso pointierter wie bestürzender Epitaph auf die korrodierten Industriegebiete in Michigan und Ohio.
„Rost“ von Florian Neuner repräsentiert eine Entwicklung in der gegenwärtigen Literatur, die nicht mit (…) grellem Trash oder extrem sensibilisierter Innerlichkeit arbeitet. Er setzt neben der normativen auch auf die ästhetische Kraft freigelegter Wirklichkeiten.
(Wilhelm Hengstler, Die Presse)
Neuner beschreibt mit frischem Blick, der durch seine Betonung der Gestalt der Stadt aus Wörtern auch in der Pedanterie der Zitate oft real-satirisch wirkt, eine urbanistische Katastrophe, die mindestens 60 Jahre alt ist.
(Bernhard Widder, Wiener Zeitung)