Mario Rotter
SILBERFISCHE UND URINSEKTEN
ISBN: 978-3-85415-377-1264 Seiten, brosch., erschienen 2005
Bonus Tracks, Lyrik, vermischte Prosa (1975–1995)
Das Schreiben spiegelt sich als physischer Vorgang in Rotters kurzen Texten wieder: atemlose Sätze, die der Leser nur durch eine Art von Gewaltakt in einem Sinn stocken lassen kann, feste, spröde gedrechselte, ineinander verkrallte Sätze, die er drehen und wenden muß, bis sie Einlaß bieten oder durchscheinend werden, in sich verschlossene und dicht aneinandergedrückte Wörter und Gedankenfetzen. (Thomas Stangl, Literatur und Kritik)
Mario Rotter (1959-1995) gehörte zu jener Generation österreichischer Schriftsteller (Werner Schwab, Christian Loidl u.a.), die sich lustvoll und intensivst zwischen den Schnittstellen von Musik, Lyrik, Performance und erweiterter Dramatik bewegten. So sind die meisten seiner Texte weniger Fragmente einer möglichen Publikation, denn Zeugnisse spontaner Ausdruckskraft und Vitalität. Vorliegender Band II aus dem Nachlass versammelt seine aggressiv-dadaistischen „Bonus-Tracks“ („… solange ich Gas bezahle, kann ich Gas verfeuern. Ich sehe oft dem Warmwasser zu, wie es völlig nutzlos in den Kanal fließt, um die Donau aufzuheizen. Nur der Laie glaubt, daß Philosophieren gratis ist …“) wie Lyrik, Songs und kurze Prosastücke.
Das Rumpelstilzchen weiß seinen eignen Namen nicht, aber es ahnt ihn, es befürchtet, sein Name stehe am Ende eines Weges, von dem es kein Zurück gibt.. Es hat eine fatale Neigung, seinen Namen an den Mündern anderer zu suchen, die ihm über sich erzählen. Es genießt das, aber es fürchtet ebenso, daß man ihm auf die Schliche kommen könnte. Etwas Furchtbares jedenfalls würde das bedeuten, was wäre am Ende, wenn das Rumpelstilzchen nicht perfekt wäre? Furchtbar auch die Neigung des Rumpelstilzchens, sich zu jenen hingezogen zu fühlen, die seinen Namen erahnen, denn es bleibt an sie gebunden, ohne jemals wieder los zu kommen von ihnen, denn sie wissen ja vom Geheimnis, von dem es nichts weiß, das es aber hütet wie den größten Schatz und die größte Qual zugleich. Fatal, einem zu sagen, kenn meinen Namen, aber sprich ihn nicht aus, denn sonst will ich leben mit dir. Fatal deswegen, weil diese Worte entlehnte Worte sind, mit denen sie sich sein Herz erkaufte.