Li Mollet
und jemand winkt
ISBN: 978-3-85415-590-4128 Seiten, brosch., erschienen 2019
Li Mollet choreographiert in „und jemand winkt“ einen Reigen von Mikro-Erzählungen von den grenzenlosen Möglichkeiten, aber auch absurden Beschränkungen der Existenz, denen sich ihre anonymen, als „Jemand“ auftretenden Figuren unterschiedlichen Alters, aus verschiedenen Zeiten, Milieus und Berufen konfrontiert sehen. Wo andernorts Geschichten oder Porträts ganze Bände füllen, formt Mollet hochkonzentrierte Miniaturen auf gerade einmal drei bis vier Zeilen, betrachtet dabei Gegenwärtiges aufmerksam und testet es auf Nuancen im Vergleich mit Vergangenem oder Zukünftigem.
Wie wäre es, wiederholt die Autorin unablässig, von diesem oder jenem zu erzählen, und verquickt die aus dutzenden weltliterarischen Quellen extrahierten Erzählstoffe mit Ingredienzien der eigenen Biographie zum Potential für neue Geschichten, deren Rhythmus von Assoziation, Gleichklang oder Kontrast geprägt wird. Solchen Möglichkeitsraum durchkreuzen indes zahlreiche, nach präzisen Intervallen abgefeuerte „kleine Imperative“ einer kompakten Mehrheit. Solcherart Gemeinplätze wie „Kunst ist zu nichts nütze“ appellieren in Li Mollets Prosabuch mit poetischem Feinsinn an die Notwendigkeit, das bestehende Falsche anzutippen und als veränderbar zu begreifen.
(…) So ist alles denkbar, erst recht Widersprüchliches. Li Mollet verknüpft Märchenhaftes und Alltägliches mit literarischen Motiven zu einem geregelten Strom von Geschichten, die sich manchmal von allem Weiteren absondern, manchmal einen Nachhall erfahren oder später wieder aufgenommen werden. Dass es dabei immer wieder auch um Sprache geht und um Musik und Klang, erstaunt nicht. Li Mollet legt grosse Sorgfalt auf eine Diktion, die ausgesprochen präzise im Ausdruck und beschwingt im Klang ist. Sie verschwendet kein Wort, zugleich bewahrt sie den Geschichten ihre erzählerische Lebhaftigkeit.
(Beat Mazenauer, Viceversa Literatur)