Gerhard Ochs
Wenn die Sonne die Lieblingsfarbe der Kinder hat
ISBN: 978-3-85415-293-480 Seiten, brosch., neuwertig, erschienen 2001
Des Mannes schöner Brauch ist es zu atmen
Sein Tag verläuft wie ein Behagen. Sobald er in seine Sachen steigt und ein Lachen zeigt, hat er den richtigen Fuß am Bein. Wenn er sich in den Eifer stürzt, sieht er aus wie ein Schwarm, der alles kahlfrißt. Seine Nahrung besteht aus rohen Gedanken. Sein Zimmer ist holzgetäfelt. Sein Geschlecht majestätisch und jung wie das Meer. In jeder Frau hat er einen Hafen. Wie das Wasser von einer Woge an Land geworfen wird, so wirft er manches Auge auf sie. Das macht er mit der gleichen Macht, die er hat, ein Feuer zu entfachen. Seine Pausbacken glühen. Er bleibt ein wenig stehen und drückt sein heißes Herz an das innige Futter seiner Jacke. Allmählich fängt die Hitze an zu knurren und die ersten Hunde verenden. Er aber stellt sich nicht unter im Schatten der Mittagsstunde, sondern folgt der strömenden Sonne und danach einer Ebene. Dort will er angelangen, wo die Welt sich dreht. Noch ehe die Nacht sich neigt, will er sagen können: Ich bin bar jeder Schwere! Sanfte Provokation ist das Stilgesetz der von Gerhard Ochs verfaßten Prosa. Sie streut Überraschungen aus, hält Widerhaken und Fallen versteckt. Unsere Sprachgewohnheiten, Redegebräuche, Allerweltsbilder – Gerhard Ochs verdreht sie uns im Munde. Er macht aus unseren Sprüchen Widersprüche und stutzt unseren geflügelten Worten die Schwingen. Er stellt unsere bequemen Gedanken mit pointierter Ironie auf den Kopf und läßt hinter dem Selbstverständlichen das Komische, hinter den polierten Oberflächen einen Abgrund sehen. So mischt er in unser Vergnügen am Sprachwitz ständig einen leisen Schrecken. Sich der seltenen Prosa von Gerhard Ochs überlassen, heißt gegen den herrschenden Strom schwimmen – und bei sich selber ankommen; heißt vergessene Wortbedeutungen und poetische Kraftfelder wiederentdecken und anders sprechen lernen.
(Prof. Gert Sautermeister, Univ. Bremen)